VITRINE-FN #8 – Vernissage am Donnerstag 28. März ’13 ab 18°°

Portrait – heute

Das Portrait ist wohl eines der ältesten Genres in der Malerei. Es hatte viel mit dem Selbsterkennen und der Entwicklung des Individiums zu tun.
Auch heute beschäftigen sich viele Künstler nach wie vor mit Portraits. Aber heute ist ein Portrait nicht mehr blosses Abbild im klassischen Zusammenhang von Repräsentation der Macht und des (Wohl-) Standes zu sehen, sondern in einem erzählerischen Sinne, dient auch der Entlarvung historischer wie heutiger undemokratischer Elitenbildung und Strukturen, wobei das Bild zum Informationsträger wird und unsere eigenen Gedanken und Erinnerungen herausfordert. Mal konkret erkennbar zum Beispiel als Zitat oder in De/Collagen, dann wieder abstrakt, gar ausgelöscht oder surreal verzerrt, verfremdet, kombiniert mit Anderem, anderen Bildern, Aneignungen aus Werken anderer Künstler, mit Text.
Das Portrait heute ist also zu einem Spiegel der Zeit, des Zeitgeistes, der Umstände und der Gesellschaft geworden. Wir können die einzelnen "Schichten" analysieren, erkennen und für uns deuten. Das zu Sehende führt idealerweise zu weiterreichenden politisch-gesellschaftlich relevanten Fragen, vielleicht Erkenntnissen und Einsichten.

Wolfgang Betke malt Portraits, danach beginnt er diese wieder zu zerstören, auszulöschen, schleift die Malschichten ab, reduziert, abstrahiert, um sie wieder zu malen und wiederholt diese Prozesse vielmals bis zur partiellen Zerstörung des Bildgrunds. Man könnte sagen er reist in seiner Arbeit durch geschichtete Zeit. Es entsteht ein "leeres" offenes Portrait, vielleicht die Idee eines Portraits, einem halbverwitterten Fresco gleich. Als Projektionsfläche für jeden Betrachter wird man in die Anonymität und unsichtbarem Nebeneinander unserer urbanen Lebensräume gestossen, gesichtslose verlorene Menschen, erkennbar an modischen Accessoires und Attributen.

Peter Freitag arbeitet mit Vorhandenem, Werbeseite aus Hochglanzmagazinen denen er seinen eigenen Bildkosmos auferlegt, ja aufzwingt. Er verwischt und schmirgelt die Bilder manchmal bis zur Unkenntlichkeit, lässt die Models bestenfalls noch durchscheinen, zerschneidet und zerstört sie, zwingt diese aber durch seine präzisen Schnitte in ein neues Bild des Menschen hinein. Portraits der Jetztzeit, abstrakt, gemustert strukturiert, surreal, manchmal madonnenhaft erhalten sie eine völlig neue Aura.

Auch emess, der Kunst studiert hat sich aber in der Streetartszene bewegt, daneben auch eine Galerie für Streetart führt, eignet sich "fremde" allzu bekannte Bilder und Portraits an. Er bearbeitet diese im Stil der Popart und Punk, grellen Farben, (Sieb-) Drucken und collagiert sie mit Schrift und allgemein verständlichen Zeichen. So schafft er neue Interpretationen und Zusammenhänge und lässt unseren Erinnerungen und Verknüpfungen Raum.

Bei Hubi W. Jägers Arbeit handelt es sich um "wieder"-gedruckte Ausschnitte aus zerfetzten "wild" geklebten Plakatwänden (wie es sie in Friedrichshafen kaum gibt) die jeweils ein Portrait ergeben. Abstrakte Vexierbilder zwischen Bild und Information. Die einzelnen Elemente stammen aus den verschiedenen Schichten der ursprünglichen Plakate, Informationsträger, Übermittler aus Musik, Konzerten, Raves, politischen Veranstaltungen und Demoaufrufen – eher aus dem "Underground" und jenseits des üblichen Werbekommerzes. Diese Portraits vermitteln neben dem ästhetischen Bild den Geist und die Anliegen der Zeit.

Das ausgestellte "mehrfache" Portrait von Britta Lumer, Tuschmalerei, verweist auf ein ganz anderes Genre, den Film. Ihrer Arbeit gelingt es die Zeit und Bewegung einzufrieren, Hauptmerkmale des Films, diese wie Filmstills in einem Bild übereinander zu schichten und festzuhalten.

Cornelia Renz arbeitet sich an der Geschichte ebenso wie an Mythen und Märchen ab. In dem ausgestellten Werk wiederum geht sie von ihrem Selbstportrait (als Mädchen) aus und verflicht sich und ihre Geschichte mit dem alten etwas bösen Kinderlied von den "10 kleinen Negerlein" – versetzt diese Gruselgeschichte in eine weibliche Welt zu "10 kleine Mädchen" – die sich ganz machomässig abschlachten und gemeuchelt werden bis die letzte Harikiri begeht. Sie interpretiert Geschichte und Geschichten um und neu.

Die Ausstellung ist zu sehen vom 28. Januar 2013 bis 7. Mai 2013 – täglich 24 Stunden.

     

Wolfgang Betke
"here's looking at you kids"

Peter Freitag
"Papercuts"

emess
"Inflatable Queen"

Hubi W. Jäger
"Strassenportrait 1-98"

Britta Lumer
"Dreh"

Cornelia Renz
"today I shot one horse

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